Im Rahmen der Leichtathletik-WM in Peking in den vergangenen Tagen war ein Thema sehr präsent: Die bevorstehende Nierentransplantation des US-Amerikaners und 110m-Hürdensprinters Aries Marritt. Mittlerweile ist er operiert worden und wenn man den Medienberichten glaubt, ist alles gut verlaufen. Alles Gute, Aries Marritt! Was wäre das für eine tolle Werbung für die Organspende, wenn Aries seinen Traum wahrmachen und bei den olympischen Spielen in Rio de Janeiro wieder an den Start gehen könnte. Ich drücke ihm dafür fest die Daumen.
Aber wo genau liegt eigentlich die Einschränkung eines organtransplantierten Leistungssportlers? Das wissen die Wenigsten. Wer sich mit dem Thema auseinandersetzt und fachlich kompetent ist, hält Leistungssport nach einer Organübertragung in der Regel für kaum möglich, die Erfahrung habe ich selbst oft gemacht. Hingegen sehen Menschen, die mit dem Thema nichts zu tun haben oft überhaupt keine Einschränkungen der Athleten. Beides ist nicht richtig.
Organtransplantierte Athleten haben mit der Organtransplantation (transplantiert werden heutzutage folgende manifesten Organe: Herz, Lunge, Niere, Leber, Bauchspeicheldrüse, Dünndarm) in der Regel zwar ein funktionstüchtiges Organ bekommen, haben vorher in der Regel aber über einen längeren Zeitraum an einem oder mehreren Organversagen gelitten, welche immer ihre Spuren am menschlichen Organismus hinterlassen. Eine dauerhafte Sauerstoffmangelversorgung des Körpers durch ein chronisches Lungenversagen zum Beispiel führt zu dauerhaften Schäden an Organen und Organsystemen und diese bestehen häufig auch dann weiter, wenn die Lunge durch ein funktionstüchtiges Spenderorgan ersetzt wurde. Gleiches gilt für Leber, Herz, Darm, Bauchspeicheldrüse oder Niere. Insbesondere die Niere, wie im Falle von Aries Merritt, hat zahlreiche lebenswichtige Funktionen. Sie entgiftet den Körper, steuert den Hormonhaushalt, produziert selbst lebenswichtige Hormone ist für die Blutbildung zuständig, steuert außerdem den Blutdruck.
Häufig bleiben auch nach erfolgreichen Organtransplantationen Teilfunktionsstörungen der übertragenen Organe bestehen, die dann zwar keine Lebensbedrohung mehr darstellen aber gerade im Sport doch einschränkend sein können.
Nach einer Organübertragung ist außerdem eine lebenslange Behandlung mit immunsuppressiven Medikamenten notwendig, damit der Körper die fremden Organe nicht abstößt. Diese sind hochgiftig und hinterlassen ihre Spuren, sie führen zu gravierenden Nebenwirkungen und schwächen die Immunabwehr erheblich. Auch einfache Infekte können so schnell lebensbedrohlich werden.
Die Medikamente führen außerdem zu einem ständigen Muskelabbau, ein Muskelaufbau im sportlichen Sinne ist also deutlich erschwert und nur durch erheblichen Trainingsmehraufwand überhaupt
erreichbar. Meist ist das Ziel deshalb nur, einen Muskelabbau zu verhindern. Knochenschwund, die sog. Osteoporose, ist eine typische Nebenwirkung der Medikamente. Hinzu kommen häufig Probleme mit
der Blutdruckregulation und die Wundheilung ist gestört. Sport, der potentiell auch Unfallgefahren bietet, ist also ein Risiko, wenn Infektionen sich schnell ausbreiten, Knochen schneller brechen
und Wunden und Verletzungen nur langsam wieder verheilen können.
Auch Spenderorgane sind außerdem häufig nicht hunderprozentig funktionsfähig. Das liegt u.a. auch daran, dass Nervenverbindungen des Körpers, die vorher bestanden haben, durch die Operation durchtrennt werden müssen, was bei der Lunge z.B. dazu führen kann, dass der Hustenreflex ausfällt oder abgeschwächt ist, weil die Nerven eine Verschleimung der Lunge nicht mehr ans Gehirn weitermelden. Beim Herzen kann dies bedeuten, dass auch unter Belastung zunächst keine Herzfrequenzerhöhung stattfindet, weil das Herz durch fehlende Nerveninformation noch garnicht bemerkt hat, dass der Körper schon wieder unter Belastung ist und eigentlich einen schneller Herzschlag benötigen würde, um eine ausreichende Sauerstoffversorgung zu gewährleisten. Eine häufige Teilfunktionsstörung der Spenderlunge ist beispielsweise auch, dass die sog. Diffusionskapazität eingeschränkt ist, was bedeutet, dass die Sauerstoffaufnahme aus der Lunge ins Blut verzögert ist. Für das alltägliche Leben ist all dies in der der Regel aber kein großes Problem. Was das aber für ein mehrstündiges Training bedeutet, kann man sich vorstellen.
Typische Teilfunktionsstörungen der Niere nach Transplantation sind Probleme mit der korrekten Hormonproduktion, teilweise müssen Hormone künstlich substituiert werden, wenn diese nicht selbst oder nicht in ausreichender Menge produziert werden. Auch der Blutdruck ist häufig ein Problem und muß künstlich reguliert werden. Auch hier ist die Einschränkung im Alltag nicht der Rede wert, im Sport dafür umso mehr.
Trotzdem ist die Organtransplantation natürlich ein absolut lohnenswerter Prozess, der den Betroffenen neue Lebensqualität schenkt.
Denn man sollte ja auch nie vergessen...Sport ist zwar wichtig, aber eben nicht das Wichtigste.